Toleranz und Toleranzbereich
Kaum ein Begriffspaar ist wie dieses Verwechslungen ausgesetzt. Das verwundert kaum. Zwar meint die gesellschaftlich als Schlüsselbegriff betrachtete Toleranz im Grunde das Gleiche wie der Fachbegriff. Die Betonung aber liegt dort anderswo: Nicht die (oft unklar bleibenden) "Grenzen der Toleranz" sind Schwerpunkt, sondern das Achten oder Dulden anderer Meinungen und Verhaltensweisen. Für den Fachbegriff Toleranz jedoch machen gerade diese Grenzen die Toleranz zu dem, was sie ist. Wegen der nur allzu leichten Verwechslung mit dem Toleranzbereich gibt es mit Vorbedacht im Definitionssatz nach DIN 55350-12:1989-03 sogar zwei Definitionen: "Toleranz = Höchstwert minus Mindestwert, und auch obere Grenzabweichung minus untere Grenzabweichung." Die Toleranz für ein betrachtetes Merkmal ist also definiert als Differenz zwischen zwei vorgegebenen Werten und damit ihrerseits ein vorgegebener Wert eines quantitativen Merkmals. Bei multivariaten quantitativen Merkmalen können Grenzwerte bzw. Grenzabweichungen einzeln für jede Komponente vorgegeben sein und außerdem voneinander abhängen. Der Fachbegriff Toleranzbereich ist nicht ein Einzelwert wie die Toleranz oder jeder der diese Toleranz bildenden Grenzwerte oder Grenzabweichungen. Er ist nach der genannten Norm der "Bereich zugelassener Werte zwischen Mindestwert und Höchstwert." Das Wort "zugelassen" hat dabei normativen Vorrang vor "zulässig", dem "Beinahe-Homonym".
Wollten Sie schon einmal die Toleranz auf der Merkmalsskala einzeichnen? Das wäre ein Fehler! Nur der Toleranzbereich liegt dort fest "durch die Toleranz und seine Lage zum Bezugswert, zum Beispiel durch die Abweichung eines der beiden Grenzwerte oder des Mittenwerts vom Nennwert oder vom Sollwert" (Bezugswert je nach Fall); mit dem Mittenwert als arithmetischem Mittel aus Höchst- und Mindestwert.
Zu einem Prozess (einer Fertigung) gibt es meist viele Toleranzen. Sie heißen "Prozesstoleranz" ("Fertigungstoleranz"). Die Toleranz für ein Merkmal des Ergebnisses eines Prozesses ist keine Prozesstoleranz. Beispiele für Einzeltoleranzen mit speziellem Bestimmungswort sind "Drucktoleranz" oder "Temperaturtoleranz".
Walter Geiger
QZ 07/2006, S. 07
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