Irrtumswahrscheinlichkeit
"Irren ist menschlich". Eine sympathische, tolerante Aussage schon seit dem alten Rom. Der Volksmund braucht dazu nichts Quantitatives. Irrtümer kommen eben vor. Basta. In den Wissenschaften ist das nicht so einfach. Alles wird überdeckt durch die Doppelbedeutung des "error" der internationalen Normensprache Englisch. Die erste Bedeutung, im Oxford dictionary sogar die erstrangige, deviation - Abweichung, führte vor einem Vierteljahrhundert fast zu einer Revolution der Messtechniker bis in die PTB hinein. Der geniale Carl Friedrich Gauss - er publizierte nur lateinisch - hatte als einfaches mathematisches Gesetz für Zufallsabweichungen (seine "errores") die Normalverteilung gefunden. Nun sollten diese "errores" ab 1983 "Messabweichung" heißen. Bisher hatte man "Fehler" gesagt, seit Beginn der nationalen Normung sogar normativ festgelegt. Kundige reden auch bei Optimierung von Merkmalsketten jetzt von "Abweichungsfortpflanzung", nicht mehr wie früher von "Fehlerfortpflanzung".
Bei der zweiten Bedeutung von error, nämlich beim Irrtum, bleiben die Statistiker (und die Normung) hierzulande beim "Fehler". Da ist einmal der Irrtum bezüglich des vermuteten wahren Wertes, wenn die Messabweichung zu groß ist. Das sind statistische Ermittlungs-Ergebnisse außerhalb des Vertrauensbereichs. Die frühere Definition der Irrtumswahrscheinlichkeit in der beschreibenden Statistik als "Komplement zu Eins des Vertrauensniveaus" hat bis heute nur die DGQ beibehalten. In der schließenden Statistik, bei statistischen Tests, bedeutet die Irrtumswahrscheinlichkeit 1. Art, dass man irrtümlich "Ja" sagt, obwohl "Nein" richtig wäre, und die Irrtumswahrscheinlichkeit 2. Art, dass man irrtümlich "Nein" sagt, obwohl "Ja" richtig wäre (siehe DIN 55350–24:1982-11). Die Irrtümer entstehen zufällig wegen der nie unendlichen Informationsbasis für den statistischen Schluss. Ob auch deutsche Statistiker einmal die Wahrscheinlichkeiten zum Fehler 1. Art und zum Fehler 2. Art "Irrtumswahrscheinlichkeiten" nennen werden, das ist natürlich nicht vorherzusagen.
Walter Geiger
QZ 02/2007, S. 10
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