Den Mitarbeiter im Blick
Motivationsmaßnahmen an Schnittstellen
Die „Weisheit“, dass die Mitarbeiter der wichtigste Produktionsfaktor sind, wird von fast allen Führungskräften in der Industrie anerkannt. Doch wie sieht es mit der aktiven Motivation von Mitarbeitern aus? Leider zeigt sich gerade hier eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Bedarf an Maßnahmen und ihrer tatsächlichen Durchführung.
Der Lehrstuhl für Qualitätswesen an der Universität Dortmund beschäftigt sich seit dem Jahr 2000 im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts mit der RWTH Aachen mit genau dieser Problematik (vgl. QZ 46 [2001] 7, Seite 891). Im Fokus des Dortmunder Teilprojekts steht die Motivation von Mitarbeitern zur schnittstellenübergreifenden Kommunikation im Arbeitsprozess. Eine Regel besagt, dass 80 Prozent der Fehler an Schnittstellen passieren. Das gilt auch für den Informationsfluss im Unternehmen. Die richtige und rechtzeitige Weiterleitung von Informationen ist ein entscheidender Faktor für die Effizienz von Prozessen.
Kommunikation über Grenzen
Innerhalb von Abteilungen ist dies in den meisten Fällen schon hinreichend beachtet und optimiert worden. Sobald aber Abteilungsgrenzen überschritten werden, verzögert sich der Informationsprozess oftmals unnötig. Die richtige und rechtzeitige Weiterleitung von Informationen ist gerade an Schnittstellen in weitem Maß durch den Faktor Mensch determiniert. Dabei müssen die Mitarbeiter die richtige Informationsweitergabe „wollen” und „können”. Das heißt, sie müssen motiviert sein, richtig und effizient zu kommunizieren.
Voruntersuchungen hatten gezeigt, dass besonders die Auswahl der geeigneten und zielgerichteten Motivationsmaßnahmen für Führungskräfte problembehaftet ist. Die vielfältigen Vorschläge in der Literatur, wie die Motivation von Mitarbeitern verbessert werden soll (z.B. durch Betriebsfeste, Vorbildverhalten von Führungskräften, Wahl des Mitarbeiters des Monats), sind mehr oder weniger wissenschaftlich begründet. Zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Verbesserung der Motivation zur Kommunikation an Prozessschnittstellen wurde deswegen eine systematische Vorgehensweise entwickelt.
Gefragt: die Meinung der Mitarbeiter
In einem ersten Schritt wird der Ist-Zustand bezüglich der Mitarbeitermotivation im Unternehmen ermittelt. Ein dafür geeignetes Instrument ist die Befragung. Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt und in Pilotunternehmen erfolgreich getestet. Mit seiner Hilfe ist es möglich, ein detailliertes Bild der Lage im Unternehmen darzustellen. Dabei ist vorgesehen, dass die Mitarbeiter zu verschiedenen Themen (z.B. eingesetzte Kommunikationsmedien, Betriebsklima, Klarheit der Prozessstruktur) jeweils den Ist-Zustand und zusätzlich die Bedeutung bewerten.
So wird die Konzentration der späteren Verbesserungsmaßnahmen auf die Bereiche gelenkt, in denen der Handlungsbedarf am größten ist. Wenn beispielsweise ein Thema im Ist-Zustand als relativ mäßig beurteilt wurde, die Bedeutung für die Mitarbeiter aber nur extrem gering ist, dann sollten Maßnahmen, die diesen Faktor verbessern, nachrangig durchgeführt werden. Wenn hingegen die Bedeutung eines Punkts sehr hoch und der Ist-Zustand nur befriedigend ist, sollte dieser besonders stark gefördert werden. Die Doppelbewertung der Themen erlaubt es also, Blindleistungen bei Verbesserungsmaßnahmen von Anfang an zu vermeiden.
Von der Theorie zur Praxis
Der so ermittelte Handlungsbedarf bildet die Eingangsgröße für die Ermittlung von Motivationsmaßnahmen. Dazu wird das Quality Function Deployment (QFD) verwendet. Es ist eine zweistufige Vorgehensweise vorgesehen. In der ersten Stufe wird der Handlungsbedarf seinen Bezugsdimensionen zugeordnet, um daraus in der zweiten Stufe die Korrelation zu den Motivationsmaßnahmen herzustellen (Bild 1).

Bild 1. Schematische Darstellung der Ableitung von Motivationsmaßnahmen
Die Unterstützungsgrade werden im ersten Kommunikations-House-of-Quality (K-HoQ) durch das durchführende Unternehmen bestimmt, im zweiten K-HoQ sind sie durch die Forschungsstelle voreingestellt. Es wird aber empfohlen, diese Voreinstellungen vor dem Hintergrund des eigenen Unternehmens kritisch zu prüfen und ggf. eine Anpassung vorzunehmen. Mit Hilfe des Kommunikations-QFDs ist es so möglich, innerhalb kurzer Zeit zielführende Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen zu bestimmen.
Ergänzend hat sich ein Benchmarking auf Basis der Mitarbeiterbefragungen als sinnvoll erwiesen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist die Durchführung eines Benchmarkings schwierig, weil die Kapazitäten in den Unternehmen oftmals beschränkt sind und die Entwicklung eines guten Benchmarkingkonzepts sehr zeitintensiv ist.
Zusätzlich lässt sich bei Wiederholungsbefragungen ein Zeitreihenvergleich im eigenen Unternehmen aufbauen, der es erlaubt, die Veränderungen der Mitarbeitermotivation fortlaufend darzustellen. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Thema Mitarbeitermotivation als eine langfristige Investition zu sehen ist, deren Erfolg sich nicht unbedingt sofort zeigt. Eine (fehlgeleitete) gewachsene Unternehmenskultur lässt sich nicht einfach von heute auf morgen ändern.
Bei dem hier vorgestellten Instrumentarium handelt es sich um ein ganzheitliches Instrument, welches es erlaubt, Schwachstellen der Mitarbeitermotivation aufzudecken und zielgerichtet zu verbessern (Bild 2).

Bild 2. Funktionsweise des am Lehrstuhl für Qualitätswesen entwickelten Instrumentariums
Ohne umfangreiche Vorkenntnisse kann die Motivation zur Kommunikation an Schnittstellen im eigenen Unternehmen verbessert werden. Der zeitliche Aufwand ist auf ein Minimum reduziert, und es müssen keine umfangreichen Beratungsleistungen in Anspruch genommen werden.
Horst-Artur Crostack, Fabian Schneider. Den Mitarbeiter im Blick. Motivationsmaßnahmen an Schnittstellen. In: QZ 09/2002 , S. 898-899.
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25.09.2020 Lean Thinking im Lean Project Management
Serie zum Thema Prozesse, veröffentlicht von QM-Experten deutscher Unternehmen gemeinsam mit der N5 GmbH und der Fachzeitschrift QZ