Durchblick im Bildsensor-Dschungel
So erleichtert der EMVA-Standard 1288 die Wahl der richtigen Kamera
Welche Kamera ist die beste? Das große Angebot an Bildsensoren und Kameras erschwert diese Entscheidung, ebenso wie die Vielfalt an unterschiedlichen Anforderungen und Anwendungen. Das liegt zum einen an mangelndem Wissen über die Funktionsweise und die Qualitätsparametern und der Frage, wie man denn die Anforderungen von Applikationen korrekt und adäquat beschreibt. Zum anderen benötigt man geeignete Hilfsmittel zur Bestimmung der entscheidenden Kenngrößen für Bildsensoren und Kameras. Der EMVA-Standard 1288 soll dabei unterstützen, die beste Kamera für eine bestimmte Applikation zu finden.
Wie ist der EMVA 1288 Standard entstanden?
Seit 2004 arbeiten Hersteller, Distributoren und Forschungsinstitute unter dem Dach der European Machine Vision Association (EMVA) an dem EMVA 1288 Standard . Dieser Standard wurde von den direkt Betroffenen entwickelt, weil es nichts Geeignetes zur objektiven Charaktersierung der Qualität von Bildsensoren und Kameras für die industrielle Bildverarbeitung gab. Die EMVA 1288 Arbeitsgruppe ist für alle Kamera- und Bildsensorhersteller, Systemintegratoren, Distributoren, Forschungsinstitute und Universitäten mit entsprechenden Forschungsfeldern offen.
Seit Ende 2010 ist der Standard 1288 in einer sorgfältig dokumentierten Release 3.0 verfügbar [1] und global anerkannt durch den sogenannten G3-Vertrag zwischen der EMVA, der amerikanischen Imaging Association (AIA) und der japanischen Industrial Imaging Assocation (JIIA) global anerkannt. Diesem G3-Vertrag sind später auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) und die Chinese Machine Vision Union (CMVU) beigetreten.
Welchen Nutzen bietet der EMVA 1288 Standard?
OEM-Kunden können anhand der EMVA 1288 Parameter die Anforderungen an eine kundenspezifische Bildsensorentwicklung realistisch und präzise festzulegen. Die Nutzung für Endanwender war aber immer noch dadurch erschwert, dass es kein einheitliches Datenblatt gab. Dieses kam Ende 2016 mit der Release 3.1 des Standards [2]. Auf einer Seite zusammengefasst findet man nun in einer einheitlichen und damit leicht vergleichbaren Darstellung alle relevanten Kenngrößen. Ausgehend von den Anforderungen der Anwendung können nun Distributoren, Systementwickler und Endkunden die für eine Applikation wichtigen Parameter auswählen, vergleichen und damit eine objektive Auswahl für die dafür am besten geeignete Kamera treffen [3,4,5].
Welche Qualifizierung bietet sich für Anwender an?
Obwohl der EMVA 1288 Standard die Auswahl vereinfacht, sind Bildsensoren und industrielle Kameras komplexe Systeme, deren bestmöglicher Einsatz ohne entsprechende Kenntnisse nicht möglich ist. Die EMVA bietet daher in Zusammenarbeit mit Mitgliedsfirmen Schulungen zur praktischen Anwendung des Standards an, die mit Zertifizierungsprüfungen auf zwei Ebenen verknüpft werden können - dem User Level und dem Expert Level.
Der User Level beinhaltet das notwendige Wissen, um für eine gegebene Anwendung anhand der EMVA 1288 Datenblätter die bestmögliche(n) Kamera(s) auszuwählen. Zielgruppe dieser Zertifizierung sind Mitarbeiter aus Marketing und Verkauf sowie alle technisch orientierten Mitarbeiter, die grundlegendes Wissen über den EMVA 1288 Standard benötigen. Dazu vermitteln vier kostenlose englischsprachige Webinare das Wissen für die Zertifizierung:
- Warum ist ein Bildsensor nicht perfekt? Oder: welche Effekte reduzieren die Bildqualität? [2]
- Die grundlegenden Parameter des EMVA 1288 Standards. Was bedeuten sie und wie werden sie gemessen?
- Was muss man über eine Anwendung wissen, damit man die best mögliche Kamera dafür auswählen kann?
- Wie führt man einen Kameravergleich praktisch durch unter Benutzung des zusammenfassenden EMVA Datenblatts?
Der Expert Level ist für all diejenigen konzipiert, die Kameras entwickeln oder EMVA 1288 Messungen selbst durchführen wollen. Dafür ist praktische Erfahrung mit EMVA 1288 Messungen unerlässlich. Das Zertifikat weist aus, dass der Inhaber über alle notwendigen Kenntnisse verfügt, um erfolgreich EMVA 1288 Messungen selbst durchzuführen und deren Ergebnisse korrekt zu interpretieren, insbesondere, wenn diese Abweichungen vom idealen Verhalten aufweisen.
[1] EMVA Standard 1288, Standard for Characterization of Image Sensors and Cameras, Release 3.0, European Machine Vision Organization, Nov. 2010,
[2] EMVA Standard 1288, Standard for Characterization of Image Sensors and Cameras, Release 3.1, European Machine Vision Organization, Dez. 2016
[3] A. Darmont, Using the EMVA 1288 standard to select an image sensor or camera, Proc. SPIE Electronic Imaging, Vol. 7536, 753609, 2010
[4] B. Jähne, EMVA 1288 standard for machine vision -- objective specification of vital camera data, Optik und Photonik, 2010, 5, 53-54
[5] L. Radtke, I. Graf-Batuchtin, M. Rosenberger and G. Notni, Adaptive test bench for characterizing image processing sensors, Proc. SPIE Image Sensing Technologies: Materials, Devices, Systems, and Applications V, Vol. 10656, 2018, 206-213
Dokumente zum EMVA 1288 Standard findet man kostenfrei unter:
Prof. Dr. Bernd Jähne ist Vorsitzender der EMVA 1288 Standardisierungsgruppe und Mitglied des EMVA Direktoriums und Seniorprofessor am Heidelberg Collaboratory for Image Processing (HCI) der Universität Heidelberg.
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25.09.2020 Lean Thinking im Lean Project Management
Serie zum Thema Prozesse, veröffentlicht von QM-Experten deutscher Unternehmen gemeinsam mit der N5 GmbH und der Fachzeitschrift QZ