Mit 1. September 2020 ist das EU-Typgenehmigungsrecht in Kraft getreten. Besonders für die Autoindustrie bedeutet dies: Die Karten zwischen Herstellern (OEM) und Lieferanten werden neu gemischt.

Mit 1. September 2020 ist das EU-Typgenehmigungsrecht in Kraft getreten. Besonders für die Autoindustrie bedeutet dies: Die Karten zwischen Herstellern (OEM) und Lieferanten werden neu gemischt. Das Prinzip der Beweislastumkehr wird nun auch auf die Kommunikation zwischen Fahrzeughersteller und Lieferanten angewandt. Der Hersteller muss spätestens jetzt genau spezifizieren, was ein Lieferant entwickeln soll. „Das Risiko, ein Entwicklungsergebnis in den eigenen Eignungsentscheidungsprozess zu  übernehmen, liegt ausschließlich beim OEM“, schreibt hierzu  Ekkehard Helmig in seinem lesenswerten Beitrag zum neuen Typgenehmigungsrecht (Seite 42 f.)

Ein alter „Bekannter“ vor Gericht ist der „Stand der Technik“, der etwa im deutschen Produkthaftungsgesetz zitiert wird. Auch im Bundesimmissionsschutzgesetz spielt diese Klausel eine zentrale Rolle. Dort stellt sich die Frage, was genau der Gesetzgeber damit meint. Zumal auf europäischer Rechtsebene der Begriff „Best Available Technology“, also beste verfügbare Technik (BVT), gebraucht wird. Dieser wird in BVT-Merkblättern ständig aktualisiert und erweitert. Diesem ebenfalls wichtigen Thema widmet sich ein Beitrag ab Seite 46.

Doch keine Angst, diese Ausgabe enthält auch Beiträge ohne rechtsverbindlichen Charakter.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen

Thomas Funck [<a href="mailto:thomas.funck@hanser.de">thomas.funck@hanser.de</a>]

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Editorial Funck

Von der Pflichterfüllung  zur Begeisterung

Warum der Qualitätsmanager ein guter Coach ist

Wie leicht ist es, andere Menschen oder äußere Umstände für die eigene Unzufriedenheit verantwortlich zu machen. Dabei hat jeder einzelne die Möglichkeit, Dinge zu verändern. Der Qualitätsmanager hat das Potenzial, die Methodenkompetenz und die Strukturen, um Führungskräfte und Mitarbeiter auf dem Weg zur Begeisterung begleiten zu können.

Allzu schnell nehmen unzufriedene Mitarbeiter Missstände als gegeben hin. Es gibt ja auch genug Studien über Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Ein Normalzustand also? Arbeit muss man ertragen?

Wer in einer beruflichen Situation ausharrt, die ihm keinen Spaß macht, die seine Kräfte raubt und in der er keine Wertschätzung erfährt, muss nicht erwarten, dass ihn ein anderer – schon gar nicht sein Vorgesetzter – aus dieser unangenehmen Situation befreit. Die Verantwortung für die Zufriedenheit im eigenen Job liegt bei jedem selbst. Fehlende Aktivität ist zu vergleichen mit geparktem Geld auf dem Sparbuch. Dies ist bei einer Inflation von 2 Prozent jährlich nach 36 Jahren Inaktivität nur noch die Hälfte wert (72-Regel). Arbeitszeit ist Lebenszeit und sollte mit wertvollen und inspirierenden Erlebnissen bereichert werden.

Dem Qualitätsmanager kommt an dieser Stelle zugute, dass er sich selbst aufgrund seines ständig verändernden Umfeldes immer wieder reflektieren und neu erfinden muss. Zwischen den 20 Elementen der ISO 9000 Familie und der Einführung von agilen Teams hat sich der Qualitätsmanager innerhalb von 20 Jahren einen beachtlichen Werkzeugkoffer mit Methoden zusammengestellt.

Er arbeitet schnittstellenübergreifend als Prozessmanager und verfügt über ausgeprägte Soft Skills. Diese ermöglichen ihm multidisziplinäre Teams zu führen, Potenziale zu heben und Verschwendungsarten im Sinne des Lean Managements aufzudecken. Er plant in der Makroebene, bewegt sich im Managementumfeld und coacht bis in die Mikroebene im Shopfloor.

Wer sich diesen Herausforderungen gestellt und die Lessons Learned als Motor für die kontinuierliche Entwicklung eigener Fähigkeiten eingesetzt hat, ist auch für seine Mitarbeiter ein Vorbild. Nur derart motivierte Mitarbeiter sind begeisterte Mitarbeiter. Im Lean Management sind ungenutzte Mitarbeiterpotenziale laut Paul Akers sogar als achte Verschwendungsart zu sehen <a href="http://[1]">[1]</a>.

Potenziale findet jeder Qualitätsmanager zunächst in sich selbst genug. Anschließend sollte er sich den Potenzialen im eigenen Team widmen und erst im letzten Schritt seinen Support anderen Kollegen anbieten.

Den eigenen Wert kennen  und kommunizieren

Keiner will Routinetätigkeiten verrichten, die ein anderer genauso gut abarbeiten könnte. Also gilt sowohl für die Eigenreflexion als auch für das Coachen von Mitarbeitern: Jeder muss wissen, was er besonders gut kann, welche Talente er hat und was ihn begeistert. Welche Themenfelder wecken den Wunsch, mehr davon zu lernen und anderen den Nutzen nahe zu bringen?

Gerade der Qualitätsmanager hat ein breites Spektrum an Möglichkeiten und kann mit etwas Begeisterungsfähigkeit seine Spezialfelder finden. Es ist außerordentlich wichtig, die eigenen Fähigkeiten und die der Mitarbeiter zu kennen. Jeder braucht Anerkennung und Wertschätzung. Diese werden am besten in Bereichen erlangt, die begeistern und in denen Hürden genommen werden.

Folgende Schritte helfen dem Qualitätsmanager, die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter zu entwickeln:

<ul><li>Mitarbeiterentwicklungsgespräche führen,</li><li>Qualifikationsmatrix erstellen,</li><li>Werte-Workshop moderieren und die eigenen Werte im Kontext der Werte der Teammitglieder und der Organisation betrachten und diskutieren,</li><li>Stärken stärken,</li><li>Anerkennung zeigen,</li><li> klare Verantwortungsstrukturen und Stellvertreterregelungen festlegen.</li></ul>

Diesen Prozess können die Mitarbeiter unterstützen, indem sie

<ul><li>sich der eigenen Werte/Talente bewusst sind oder werden,</li><li>ein Erfolgstagebuch führen (privat und beruflich),</li><li> ihre Werte und Talente kommunizieren.</li></ul>

Mitarbeiter und Vorgesetzte sollten sich folgende Fragen stellen und beantworten: Wer bin ich? Wo will ich hin? Wie kann ich das schaffen? Denn wer den Weg nicht kennt, kann das Ziel nicht finden.

Der Qualitätsmanager ist Experte im Moderieren von zielfokussierten Prozessen: Spezifikationen, Regelkarten, Audits, Root Cause Analysen usw.. Immer geht es um einen Status Quo, einen Weg – und ein zu erreichendes Ziel. Jeder Vorgesetzte sollte bei sich selbst anfangen und sich fragen, wie viel Begeisterung er in das Unternehmen bringt, wie sehr er Vorbild ist, Begeisterung lebt, sich an Erfolgen freut und sich Ziele setzt, die er dann auch konsequent verfolgt und wie inspirierend er auf andere wirkt.

Kennen Sie Ihre persönlichen Ziele? Haben Sie eine Motivation? Trägt Ihre Arbeit dazu bei, dass Sie dieses Ziel erreichen können? Keiner sollte den Fehler machen, mit wichtigen Zielen bis zur Rente zu warten. Und niemand sollte den Fehler machen, keine Ziele zu haben <a href="http://[2]">[2]</a>. Die Verantwortung für die Definition und die Erreichung der persönlichen Ziele muss jeder Mitarbeiter für sich selbst übernehmen. Der Qualitätsmanager kann ihn bei diesem Prozess unterstützen, indem er:

<ul><li>die Schnittstellen zwischen persönlichen Zielen und den Unternehmenszielen findet oder schafft,</li><li>die Abteilungsziele definiert unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Werte-Workshop,</li><li>nicht effektive Tätigkeiten sukzessive eliminiert, authentisch und Vorbild ist sowie Werte vorlebt.</li></ul>

Es ist vielleicht eines der schwierigsten Themen, seine persönlichen Wünsche zu formulieren. Denn einmal formuliert und dokumentiert, zwingen sie uns zum Handeln und vielleicht auch dazu, unbequeme Entscheidungen treffen zu müssen. Anderen die Schuld für die eigene Unzufriedenheit zu geben, ist wesentlich komfortabler, aber keine Option.

Vermeintliche Handlungsgrenzen identifizieren und hinterfragen

Handlungsgrenzen sind oft fiktiv, werden aber von Mitarbeitern als gegeben hingenommen und hindern sie daran, die eigene Komfortzone zu verlassen. Die Grenzen dienen dabei eher unbewusst als Rechtfertigung für das Verharren in unzureichenden Prozessen oder Situationen.

Mitarbeiter sind oft der Meinung, sie könnten bestimmte Situationen nicht ändern und wären dafür auch nicht verantwortlich. Da werden z. B. defektes Werkzeug, lange Wege und Wartezeit im Prozess in Kauf genommen und es wird über den Vorgesetzten geschimpft, der sich nicht kümmert.

Im betrieblichen Umfeld werden unzureichende Situationen eher geduldet, als in den eigenen vier Wänden. Zu Hause ist die Verantwortlichkeit eindeutiger geregelt und die Zeit zu wertvoll.

Wenn Mitarbeiter auch im beruflichen Umfeld mit klaren Verantwortlichkeiten arbeiten können und die Erreichung von betrieblichen Zielen den persönlichen Zielen zu Gute kommt – zum Beispiel in Form von Anerkennung und persönlicher Weiterentwicklung – haben sie hohes Interesse daran, die zur Verfügung stehende Zeit ohne Verschwendung zu nutzen.

Qualitätsmanager müssen fiktive Grenzen als Ausrede zur Inaktivität entlarven und Mitarbeiter zu lösungsorientiertem Denken und Handeln motivieren. Der Qualitätsmanager hat dafür in seinem Handwerkskoffer ein ganzes Portfolio an Problemlösungstools zur Verfügung und ist demnach auch hier ein guter Coach.

Ein lösungsorientierter Mindset-Wechsel öffnet neue Gestaltungsspielräume und stärkt das Bewusstsein für die eigenen Möglichkeiten. „Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt vom unvernünftigen Menschen ab“ <a href="http://[3]">[3]</a>. Zu einem lösungsorientiertem Mindset gehört es:

<ul><li>Verantwortung zu übernehmen,</li><li>berufliche Netzwerke zu nutzen,</li><li>Erfolge aus dem Erfolgstagebuch</li></ul>

<ul><li>ständig zu lernen,</li><li>neue Aufgaben zu übernehmen,</li><li>die Komfortzone zu verlassen,</li><li>Erfolge zu kommunizieren und</li></ul>

Der Vorgesetzte muss Visionär sein und Mitarbeiter ermutigen, Entscheidungen zu treffen, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Er gibt ihnen Rückendeckung und ermutigt sie, Out-of-the-Box zu denken. Das gemeinsame Festlegen von Werten und Zielen ist die Voraussetzung dafür, dass sich jeder Mitarbeiter mit ausreichend Begeisterung für den Erfolg des Teams einsetzt.

Was aber, wenn vermeintliche Bedenkenträger den Mitarbeiter bremsen mit Sätzen wie „Ich würde gern, aber der Kollege zieht nicht mit.“ oder „Ich kann nicht, weil mich mein Chef nicht unterstützt.“ Dann hilft das Prinzip der einfühlenden Kommunikation <a href="http://[4]">[4]</a>. Menschen neigen dazu, Urteile zu fällen und Lösungen anzubieten, ohne das Problem komplett verstanden zu haben. Dieses Verständnis gewinnt man nur, wenn man wirklich zuhört. Jeder muss bereit sein, den Kollegen oder Vorgesetzten und dessen Bedenken wirklich zu verstehen.

Ihr Augenarzt muss Ihnen ja auch zunächst genau zuhören, um die richtige Diagnose stellen zu können. Er käme nicht auf die Idee, sich seine eigene Brille von der Nase zu nehmen und sie mit den Worten zu überreichen: „Diese Brille hat mir all die Jahre gute Dienste geleistet. Ich habe zu Hause noch eine zweite. Nehmen Sie sie ruhig.“

Genau das macht man im täglichen Leben ständig: im Job, in Beziehungen und in der Kindererziehung. Wir setzen anderen Menschen unsere Brille auf und erwarten Dankbarkeit.

Einfühlendes Zuhören schafft sofort eine andere Ebene der gegenseitigen Wertschätzung. Festgefahrene und kräftezehrende Beziehungen im beruflichen Umfeld können zu einer inspirierenden Quelle der persönlichen Weiterentwicklung werden.

Der Qualitätsmanager ist in der Lage, Personalentwicklungen zu begleiten und zu coachen, wenn er authentisch ist im Hinblick auf seine eigenen Werte und Ziele. Wer sein berufliches Umfeld als ständige Quelle des Lernens und der persönlichen Weiterentwicklung betrachtet, geht in die Aktivität und somit als gutes Vorbild voran . W

Sandra Paul - Hauptartikel

Strelecky, J.: The Big Five for Life.  dtv München, 2009

Shaw, G. B.: Maximen für Revolutionäre. CreateSpace Independant Publishing  Platform, 2013

Covey, Stephen R.: Die 7 Wege zur Effektivität, Gabal Verlag, Offenbach am Main 2019

Sandra Paul ist Qualitätsmanagerin bei der CMC Technologies GmbH & Co. KG in Düren.

Redaktion QZ T 089 99830-618 <a href="mailto:qz@hanser.de">qz@hanser.de</a>

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Warum sich der 8D-Report verändern muss und  der A3-Report innerbetrieblich das bessere Instrument ist

Der 8D-Report ist ein Werkzeug der Verbesserung. Entsprechend sollte er nicht als reines Reklamationsdokument oder als notwendiges Übel in der Beziehung zwischen Kunde und Lieferant gesehen werden. So sieht es jedenfalls Michael Burghartz-Widmann, Vorstandsmitglied der DGQ. In seinem Beitrag zeigt er zudem, warum sich der A3-Report als Instrument für innerbetriebliche Verbesserungen besser eignet.

Viele kennen die Situation: Fast täglich kommt ein neuer 8D-Report ins Unternehmen, mit dem man nichts anzufangen weiß oder für den man nicht zuständig ist. Doch die häufig negative Einstellung, die mittlerweile gegenüber dem 8D-Report vorherrscht, sollte kritisch hinterfragt werden. Gerade in der jetzigen Zeit muss die Qualität als Führungsthema im Vordergrund der Unternehmen stehen.

Walter Masing, der den Qualitätsbegriff entscheidend geprägt hat, hat die These aufgestellt, dass die meisten personenbedingten Fehler ihre Ursachen im System haben, für das im weitesten Sinne die Führung verantwortlich ist. Der 8D-Report ist ein Mittel zur Reklamationsbearbeitung fehlerhafter Produkte innerhalb der Lieferkette (Supply Chain). Insofern ist dieses Dokument ein Teil des Qualitätsmanagements und muss ernst genommen werden.

Im Qualitäts- und Risikomanagement stellt die 8D-Methodik eine systematische Vorgehensweise bei der Bearbeitung von Reklamationen dar. Ziel ist es, einen aufgetretenen Fehler dauerhaft zu vermeiden. Im 8D-Report erfolgt die durchgängige Dokumentation aller Fakten, von der Beanstandung über Verantwortlichkeiten bis hin zu den Lösungsmaßnahmen. Die Erstellung erfolgt in acht Schritten:

<ul><li>Schritt 1: Team bilden;</li><li>Schritt 2: Problem beschreiben;</li><li>Schritt 3: Sofortmaßnahmen treffen;</li><li>Schritt 4: Ursachen analysieren;</li><li>Schritt 5: Korrekturmaßnahmen festlegen (inkl. Wirksamkeitsprüfung);</li><li>Schritt 6: Korrekturmaßnahmen organisatorisch verankern;</li><li>Schritt 7: Vorbeugungsmaßnahmen treffen;</li><li>Schritt 8: Problemlösungsprozess abschließen.</li></ul>

Die 8D-Methode bietet dem Anwender dann den gewünschten Mehrwert, wenn sie in der Praxis auch richtig angewendet wird. Die Erfahrungen aus Beratungsprojekten und die Rückmeldungen aus Trainings zeigen jedoch, dass dies nicht immer der Fall ist. So wird der 8D-Report nicht als ein Instrument zur Umsetzung der 8D-Methode verstanden, sondern als ein Werkzeug zwischen Kunde und Lieferant in der Abwicklung einer Reklamation. Dies führt in manchen Fällen dazu, dass der 8D-Report auf ein Formular reduziert wird, das im Falle einer Reklamation auszufüllen und an den Kunden zu übermitteln ist.

Auch sind die Zeiträume für die Bearbeitung eines 8D-Reports häufig nicht angemessen und orientieren sich eher an Kundenforderungen als an dem Ziel der dauerhaften Vermeidung des aufgetretenen Fehlers. Nicht selten werden bei als nicht schwerwiegend eingestuften Reklamationen weder Teamleiter noch Team benannt. Die Bearbeitung der Reklamation erfolgt durch einen Sachbearbeiter, der dann gleichzeitig für die Erstellung des 8D-Reports verantwortlich ist.

Ebenso kommt es vor, dass das Fortschreiten der Verbesserungsbemühungen nicht zeitnah dokumentiert ist und so der 8D-Report nicht als begleitendes Arbeitsmittel zur Reklamationsbearbeitung eingesetzt wird. Im Extremfall wird der 8D-Report zum Ende hin „noch schnell ausgefüllt“, damit der Reklamationsprozess abgeschlossen werden kann.

In der Beschreibung der Abstellmaßnahmen finden sich zudem häufig Formulierungen, die darauf schließen lassen, dass die Kernursache nicht wirklich identifiziert oder diese nicht durch Tests und Vergleiche nachgewiesen wurde. Eine Abstellmaßnahme mit „Mitarbeiter entlassen“ zu beschreiben, ist sicherlich nicht als zielführend einzustufen.

Diese genannten Situationen gehen weit an dem vorbei, was das Instrument 8D-Report leisten kann. Wer das 8D-Modell nicht als wirkliche Chance sieht, bei Reklamationen Fehler zu analysieren und auszuwerten, um technisches und prozessuales Verbesserungspotenzial zu heben, kann nicht nachhaltig Probleme beseitigen, langfristig seine Kostenstruktur senken und damit seine Wettbewerbsfähigkeit steigern sowie die Kundenzufriedenheit erhöhen.

Wer heute professionell mit dem Werkzeug 8D umgehen will, muss verstehen, dass der Auslöser eine Reklamation ist, die im Unternehmen eine Korrektur auslöst (10.2.1 Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen und 6.1.2 Die Organisation muss Maßnahmen zum Umgang mit diesen Risiken und Chancen planen), die anschließend eine Korrekturmaßnahme (9.1.1 Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung) und dann eine vorbeugende Maßnahme (9.1.1 Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung) beinhalten muss.

Hierzu ist ein einzelner Mitarbeiter nicht in der Lage. Es muss daher ein Umdenken bei den Anwendern – sowohl bei den Kunden, als auch bei den Lieferanten – stattfinden. Eine Veränderung kann aber nur erfolgen, wenn alle Anwender wissen, wozu der 8D-Report genau verwendet und was dadurch auf der anderen Seite ausgelöst wird. Darüber hinaus muss den Beteiligten bewusst sein, dass die Zeiträume, bis wann ein 8D-Report erledigt sein soll, angemessen sein müssen.

Außerdem muss klar sein, wo die Anwendung des 8D-Reports wirklich sinnvoll ist. Nicht überall ist ein 8D-Report notwendig. Auch hier sollte zwischen den Anwendern mehr kommuniziert werden. Besser wäre es aber, es würde erst gar nicht zu einer Reklamation kommen. Denn die Fehlerbehebung am Ende der Wertschöpfungskette verursacht die größten Kosten und kann zudem einen Imageverlust zur Folge haben.

Für eine Verbesserung innerhalb der Wertschöpfungskette bietet sich eine Methode an, die in Unternehmen noch nicht durchgängig umgesetzt wird: die A3-Methode.

Die A3-Methode, auch A3-Report genannt, beruht auf einer formularartigen Dokumentenvorlage, die zur Identifizierung von Problemstellungen und zur Lösungsfindung eingesetzt wird und der Prozessplanung und -optimierung dient. Neben Texten enthält die A3-Methode auch Diagramme und andere grafische Elemente, um Informationen anschaulich darzustellen und ein vertiefendes Verständnis von Zusammenhängen zu ermöglichen. Der A3-Report ist in sieben Analyse- und Arbeitsschritte unterteilt:

<ul><li>1. Wen brauche ich, um das Problem zu beseitigen? (entspricht im 8D-Report Schritt 1); Was ist der Hintergrund des Problem? (entspricht im 8D-Report Schritt 2);</li><li>2. Welche aktuelle Situation haben wir? (entspricht im 8D-Report Schritt 2 und 3);</li><li>3. Zielzustand (entspricht im 8D-Report Schritt 3);</li><li>4. Ursachenanalyse (entspricht im 8D-Report Schritt 4);</li><li>5. Gegenmaßnahmen (entspricht im 8D-Report Schritt 5);</li><li>6. Erfolgswirkung (entspricht im 8D-Report Schritt 5);</li><li>7. Standardisierung und Follow-up (entspricht im 8D-Report Schritt 6 und 7).</li></ul>

Vergleicht man die Vorgehensweise des A3-Reports mit der des 8D-Reports, so stellt man fest, dass hier eine analoge Vorgehensweise vorhanden ist.

Der A3-Report ist eigentlich ein Werkzeug aus dem Hoshin-Kanri-Prozess. Das dort verwendete Dokument, bildet die Strukturen des 8D-Report ab und ist dadurch ein ideales Werkzeug, um im Unternehmen bei praktisch allen Problemen einen Lösungsleitfaden zu haben.

Die DIN-A3-Vorlage wird im Querformat verwendet (Bild). Wichtig ist ein aussagekräftiger Titel, der das zu lösende Problem konkret beschreibt. Der A3-Report nimmt Bezug auf die vier Phasen des PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act). Auf der linken Seite wird die Planung behandelt (Analyseschritte 1–4), auf der rechten werden die Phasen Do, Check und Act betrachtet (Analyseschritte 5–7). Die Bearbeitung beginnt auf der linken Seite und wird auf der rechten Seite fortgeführt; der Inhalt des A3-Reports ist quasi eine fließende Erzählung.

Die Vorteile der A3-Methode liegen in dem schnellen Erkennen von Ursachen, da sich die Anwender intensiv mit der Problemstellung auseinandersetzen müssen und durch die Struktur des Formulars durch den Bogen geführt werden. Dies erleichtert die gezielte Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien im kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Zudem fördert es den Teamgedanken, da alle Beteiligten in die Bearbeitung des A3-Reports einbezogen und animiert werden, sich intensiv mit dem Problem, seinen Auswirkungen und seinen Lösungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Dies fördert die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen verschiedenen Abteilungen und erhöht die Effektivität im Arbeitsprozess. Die Flexibilität durch individuelle Anpassung des Formulars an die jeweilige Problemstellung ermöglicht vielfältige Ansätze und erlaubt es damit, sowohl eine zielgerichtete und effiziente Lösungsstrategie auszuarbeiten als auch Projekte und Besprechunge zu steuern. Ein weiterer Schritt könnte sein, durch die Verknüpfung mehrerer Dokumente ganze Projekte zu koordinieren.

Beim Einsatz des A3-Reports in Unternehmen müssen sich Führungskräfte aber ihrer Rolle als Begleiter ihrer Mitarbeitenden bewusst sein und sich intensiv mit ihnen und den wertschöpfenden Prozessen befassen. Das hieraus generierte Wissen steigert bei den Mitarbeitern die Kompetenz und Routine im Umgang mit komplexen Aufgabestellungen und fördert so das eigenständige Lösen von Problemen. Hierdurch können immer mehr und komplexere Aufgaben umgesetzt werden. Dies führt letztendlich auch zur Entlastung der Führungskräfte.

Zusammenfassend lassen sich vor allem vier Punkte festhalten: Erstens muss der 8D-Report als Veränderungswerkzeug zwischen Kunde und Lieferant gesehen werden und nicht als Drohwerkzeug.

Zweitens soll der A3-Report als Werkzeug des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und somit als Veränderungswerkzeug innerhalb des Unternehmens ohne eine direkte Einwirkung von außen gesehen werden.

Beide Werkzeuge sind drittens als unabdingbare Werkzeuge der Veränderung von Prozessen und Produkten zu sehen.

Und viertens muss die Führung verstehen, dass beide Werkzeuge dem Unternehmen helfen und kein notwendiges Übel sind.

DGQ Fachbeitrag_8D-Report_text09fb

Michael Burghartz-Widmann ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität. Er leitet den DGQ-Regionalkreis Stuttgart und ist Trainer der DGQ. Neben seiner Tätigkeit bei einem süddeutschen Autohersteller berät er Unternehmen zu Themen wie Automotiv, 5S, KVP, Prozess- und Qualitätsmanagement.

<a href="mailto:burghartz-widmann@t-online.de">burghartz-widmann@t-online.de</a>

Wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsrisiken managen können

Unternehmen müssen künftig umfassender als bislang über die Auswirkungen und Risiken ihrer Geschäftstätigkeit berichten. Bei Nichteinhaltung der damit zusammenhängenden Sorgfaltspflichten können sie sanktioniert werden. Was Unternehmen bereits jetzt tun sollten, um weiterhin ein attraktiver Geschäftspartner zu bleiben.

Vor über 20 Jahren traten die ersten Unternehmen dem UN Global Compact bei <a href="http://[1]">[1]</a>. Mittlerweile handelt es sich dabei um die weltweit größte und wichtigste Initiative für verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Vision des UN Global Compact ist eine inklusive und nachhaltige Weltwirtschaft auf der Grundlage seiner zehn universellen Prinzipien. Durch den Beitritt erklären sich die Unternehmen bereit, die zehn Prinzipien zu achten und über Fortschritte und Probleme bei der Umsetzung der Prinzipien jährlich zu berichten. Da die Berichte auf freiwilliger Selbstauskunft beruhen und keiner Überprüfung unterliegen, wird die Ernsthaftigkeit dieser Berichterstattung angezweifelt.

2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat <a href="http://[2]">[2]</a> Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Leitprinzipien) <a href="http://[3]">[3]</a>, aus denen für die Mitgliedsstaaten die Verpflichtung erwuchs, die Achtung der Menschenrechte entlang der Lieferketten von Unternehmen gesetzlich zu verankern und mit einer Berichtspflicht darüber zu belegen, wie sie diesen Verpflichtungen nachkommen.

Die Leitprinzipien sind der Ausgangspunkt einer Vielzahl von Gesetzen weltweit, mit denen die Gesetzgeber Unternehmen aufforderten, über Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zu berichten. Das erste Gesetz dieser Art war 2012 der kalifornische „Transparency in Supply Chains Act“ <a href="http://[4]">[4]</a>, der wiederum 2015 die Blaupause für den englischen „Modern Slavery Act“ <a href="http://[5]">[5]</a> war.

Zugleich forderten sowohl die Vereinten Nationen <a href="http://[6]">[6]</a> als auch die EU <a href="http://[7]">[7]</a> ihre Mitglieder auf Nationale Aktionspläne (NAP) <a href="http://[8]">[8]</a> zur Umsetzung der Leitprinzipien zu erlassen. Dieser Aufforderung sind 23 Staaten weltweit nachgekommen und habe Aktionspläne mit spezifischen Aufforderungen an die lokalen Unternehmen aufgestellt <a href="http://[9]">[9]</a>. International agierende deutsche Unternehmen haben somit nicht nur den NAP der Bundesregierung zu beachten, sondern ggf. auch die NAPs der Länder, in denen sie mit Tochtergesellschaften präsent sind.

Waren die ersten Gesetze und die daraus resultierenden Verpflichtungen noch relativ unverbindlich für Unternehmen, sind in den letzten Jahren weitere nationale Gesetze, 2017 in Frankreich <a href="http://[10]">[10]</a> und 2019 in den Niederlanden <a href="http://[11]">[11]</a>, erlassen worden, die den Unternehmen nicht nur Berichtspflichten, sondern auch Sorgfaltspflichten auferlegen, deren Nichtbeachtung sanktioniert werden können.

In die gleiche Richtung denkt auch die EU. Die 2014 verabschiedete Corporate-Social-Responsibility (CSR)-Richtlinie <a href="http://[12]">[12]</a>, die europaweit mehr als 6000 Unternehmen verpflichtet, auch über ihre Aktivitäten im Nachhaltigkeitsbereich zu berichten, wird seit Februar 2020 im Rahmen einer Konsultation überprüft. Es ist damit zu rechnen, dass die Berichtspflicht künftig auf mehr Unternehmen ausgedehnt und wesentlich konkreter ausgestaltet wird. Dass heißt, die Unternehmen werden ihre Zulieferer noch mehr als bislang dazu veranlassen, die erforderlichen Informationen zugänglich zu machen. EU-Justizkommissar Didier Reynders hat für 2021 ein europäisches Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Standards im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes angekündigt <a href="http://[13]">[13]</a>. Mit der Verabschiedung eines solchen Lieferkettengesetzes werden die Unternehmen voraussichtlich verpflichtet, nachzuweisen, dass sie das ihrer Größe und ihrem Verursachungsbeitrag entsprechende getan haben, um Verletzungen von Menschenrechten bzw. Schäden an der Umwelt zu verhindern oder zu mindern. Falls sie den Nachweis einer Risikoanalyse und die Umsetzung risikovermeidender bzw. -mindernder Maßnahmen schuldig bleiben, ist mit einer Sanktionierung zu rechnen.

Diese Gesetzesvorhaben der EU sind eingebettet in den im Dezember 2019 vorgestellten „Grünen Deal“ der EU Kommission, mit dem Europa klimaneutral wachsen soll. Dies erfordert einen Umbau der Wirtschaft und der Lieferketten einschließlich des Aufbaus eines nachhaltigen Finanzwesens <a href="http://[14]">[14]</a>.

Der Umbau des Finanzwesens hat zur Folge, dass die EU Unternehmen dazu veranlassen wird, sich auf langfristige Ziele und die mit einer nachhaltigen Entwicklung verbundenen Herausforderungen und Chancen zu konzentrieren. Das bedingt, dass Klima- und Umweltrisiken vollständig gemanagt und in betriebswirtschaftliche Erwägungen integriert und soziale Risiken, beispielsweise Menschenrechtsverletzungen in grenzüberschreitenden Lieferketten, dabei gebührend berücksichtigt werden müssen <a href="http://[15]">[15]</a>.

Als einen ersten Schritt auf diesen Weg hat die EU ein Klassifikationssystem für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen – die „Taxonomie“ einführt <a href="http://[16]">[16]</a>. Günstige Darlehenszinsen für Investitionen werden zukünftig auch davon abhängen, inwieweit Investitionen, direkt oder indirekt keine nachteilige Auswirkungen auf Menschen, Klima und Umwelt haben.

Unternehmen müssen sich also darauf einstellen, dass sie umfassender als bislang über die Auswirkungen und Risiken ihrer Geschäftstätigkeit, ihrer Geschäftsbeziehungen sowie die ihrer Produkte und Dienstleistungen berichten müssen <a href="http://[17]">[17]</a> und für die Nichteinhaltung damit zusammenhängender Sorgfaltspflichten sanktioniert werden. Entweder werden sie diese gesetzlichen Pflichten direkt treffen oder diese Pflichten werden ihnen von ihren Geschäftspartnern zunehmend weitergereicht.

Unternehmen sollten daher schon jetzt beginnen ihre gesamte Wertschöpfungskette auf Nachhaltigkeitsrisiken zu untersuchen, diese vermeiden oder zumindest (mittel- bis langfristig) deutlich zu vermindern, um weiterhin ein attraktiver Geschäftspartner zu bleiben, bzw. keine nachteiligen Auswirkungen bei künftigen Finanzierungen zu erleiden.

Aus der Empfehlung, Nachhaltigkeitsrisiken in den Blick zu bekommen, ergibt sich nun die spannende Frage, inwieweit existierende Managementsysteme geeignet sind, Unternehmen bei solchen Risikoanalysen zu unterstützen bzw. welche Anknüpfungspunkte es beispielsweise in einer ISO 9001/14001/45001 geben könnte.

Als hilfreich stellt sich dabei die bereits vor Jahren eingeführte ISO-Grundstruktur (High-Level-Structure, HLS) heraus, die dazu führte, dass alle Managementsystemnormen einen gleichartigen Aufbau haben, in weiten Teilen identische Anforderungen in Bezug auf das jeweilige Themengebiet stellen und eine harmonisierte Terminologie verwenden.

Konkret soll im Folgenden auf die Korrelationen zwischen CSR und den Themen „Kontext der Organisation und interessierte Parteien“, „(Qualitäts-/Umwelt-) Politik“ und „Risiken und Chancen hinsichtlich bindender Verpflichtungen“ eingegangen werden.

Mit der (geplanten) Einführung von erweiterten Berichtspflichten und einem Lieferkettengesetz, das markanten Einfluss auf das Innenverhältnis zwischen einer Organisation und seinen Lieferanten haben wird, treten Veränderungen bei den „externen Themen“ und dem „Kontext“, in dem sich ein Unternehmen bewegt (siehe ISO 9001, Kap 4.1), ein. Gleichermaßen betroffen sind die Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien (siehe ISO 9001, Kap. 4.2), die allein bereits dadurch „relevant“ und damit verpflichtend/bindend werden, weil mit den Berichtspflichten und dem Lieferkettengesetz gesetzliche und behördliche Anforderungen formuliert werden.

Auch bei der Festlegung der Politik des Unternehmens ergeben sich direkte, ableitbare Referenzen. So muss die Qualitäts- und/oder Umweltpolitik z.B. „eine Verpflichtung zur Erfüllung zutreffender Anforderungen“ (ISO 9001, Kap. 5.2.1c) enthalten. Eine europäische Richtlinie oder ein Gesetz ist ohne Zweifel ein solche zutreffende Anforderung. Weiterhin fordern die Managementsystemnormen, dass die „Politik (der Organisation) für (…) den Kontext angemessen ist“. Wenn sich also der Kontext verändert und Erwartungen von Konsumenten, Finanzorganisationen und Gesetzgebern direkt oder indirekt Anforderungen an Strategie, Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Lieferketten einer Organisation modifizieren, kann – ja muss – sich dies in einer veränderten, angepassten Unternehmenspolitik abbilden.

Mit Blick auf das Thema „Risiken & Chancen“ (ISO 9001, Kap. 6.1.1) werden drei Aspekte und Fragen offenkundig, die Unternehmen analysieren und für sich beantworten können sollten:

<ul><li>Welche unerwünschten Auswirkungen hätte es für das Unternehmen, wenn es einer möglichen Berichtspflicht nur unzureichend nachkäme oder in den Lieferketten keine angemessene Berücksichtigung der Einhaltung von Menschenrechten und/oder Vermeidung umweltrelevanter Schäden nachweisbar wäre ?</li><li>Welche Chancen und Möglichkeiten ergäben sich aus einer konsequenten Verpflichtung und aktiven Positionierung des Unternehmens zu CSR, z.B. in Bezug auf Image, Markenpositionierung, Marktanteilen, Erschließung neuer Zielgruppen, Umsätzen und Erträgen ?</li><li>Berücksichtigt das Unternehmen im Rahmen seines Lieferantenmanagements und seiner Beschaffungsprozesse die Anforderungen, die sich aus der CSR-Richtlinie und dem Lieferkettengesetz ergeben könnten ? Und welche Informationen inklusive vertraglicher Vereinbarungen werden „externen Anbietern“ (ISO 9001, Kap. 8.4.3) zur Verfügung gestellt ?</li></ul>

Daraus ergibt sich nahezu zwingend die Notwendigkeit, diese Themen möglichst zügig in interne und externe Audits zu integrieren und aus den erzielten Ergebnissen Anpassungen in den relevanten Unternehmensprozessen abzuleiten.

DQS - Hauptartikel

<ol><li>Zehn Prinzipien des Global Compact: <a href="https://www.globalcompact.de/de/ueber-uns/deutsches-netzwerk.php">https://www.globalcompact.de/de/ueber-uns/deutsches-netzwerk.php</a>.</li><li>Details zum Menschenrechtsrat: <a href="https://www.ohchr.org/EN/">https://www.ohchr.org/EN/</a> HRBodies/HRC/Pages/<a href="http://Home.aspx">Home.aspx</a>.</li><li>Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: https:// <a href="http://www.globalcompact.de/wAssets/docs/Menschenrechte/Publikationen/leitprinzipien_fuer_wirtschaft_und_menschenrechte.pdf">www.globalcompact.de/wAssets/docs/Menschenrechte/Publikationen/leitprinzipien_fuer_wirtschaft_und_menschenrechte.pdf</a>.</li><li>California Transparency in Supply Chains Act of 2010: <a href="https://oag.ca.gov">https://oag.ca.gov</a>.</li><li>Modern Slavery Act 2015: <a href="http://www.legislation.gov.uk">http://www.legislation.gov.uk</a>.</li><li>UN-Arbeitsgruppe zu Wirtschaft und Menschenrechten</li><li>EU Kommission, EU Strategie für CSR 2011 – 2014, S. 1, <a href="https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/com/com_com">https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/com/com_com</a>(2011)0681_/com_com(2011)0681_<a href="http://en.pdf">en.pdf</a>.</li><li>Deutscher NAP: <a href="https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/wirtschaft-menschenrechte.html">https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/wirtschaft-menschenrechte.html</a>.</li><li>Aufstellung des Hochkommissars für Menschenrechte: <a href="https://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Pages/NationalActionPlans.aspx">https://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Pages/NationalActionPlans.aspx</a>.</li><li>LOI n° 2017–399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d‘ordre: <a href="https://www.legifrance.gouv.fr">https://www.legifrance.gouv.fr</a>.</li><li>Wet van 24 oktober 2019 houdende de invoering van een zorgplicht ter voorkoming van de levering van goederen en diensten die met behulp van kinderarbeid tot stand zijn gekomen (Wet zorgplicht kinderarbeid): <a href="https://zoek.officielebekendmakingen.nl">https://zoek.officielebekendmakingen.nl</a>.</li><li>Richtlinie 2014/95/EU: <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX">https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX</a>:32014L0095&from=EN</li><li>European Parliament Working Group on Responsible Business Conduct, Webinar vom 29.04.2020: <a href="https://responsiblebusinessconduct.eu/wp/2020/04/30/speech-by-commissioner-reynders-in-rbc-">https://responsiblebusinessconduct.eu/wp/2020/04/30/speech-by-commissioner-reynders-in-rbc-</a> webinar-on-due-diligence/</li><li>Ein europäischer Grüner Deal: <a href="https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019">https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019</a>–2024/european-green-deal_de</li><li>Konsultation der EU für ein nachhaltiges Finanzwesen (Abfrage lief bis zum 15.07.2020): <a href="https://ec.europa.eu/info/consultations/">https://ec.europa.eu/info/consultations/</a> finance-2020-sustainable-finance-strategy_en</li><li>Weitere Informationen zur „Taxonomie“ sowie zu den Ergebnissen der Technischen Arbeitsgruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen: <a href="https://ec.europa.eu/info/publications/sustainable-finance-technical-expert-group_de">https://ec.europa.eu/info/publications/sustainable-finance-technical-expert-group_de</a></li><li>Empfehlung des Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung, Zwischenbericht – Die Bedeutung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft für die große Transformation vom 5.03.2020: <a href="https://sustainable-finance-beirat.de/en/publications/">https://sustainable-finance-beirat.de/en/publications/</a></li></ol>

Michael Wiedmann ist als Anwalt für Compliance im Frankfurter Büro von Norton Rose Fulbright tätig. Im Deutschen Institut für Compliance e.V. (DICO) engagiert er sich zudem als Co-Arbeitskreisvorsitzender CSR/Menschenrechte.

Frank Graichen leitet den Bereich Auditorenmanagement & Kompetenz der DQS GmbH, ist Auditor für ISO 9001 und Dozent zu Auditthemen bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), Frankfurt/Main.

<a href="mailto:michael.wiedmann@nortonrosefulbright.com">michael.wiedmann@nortonrosefulbright.com</a>

<a href="mailto:frank.graichen@dqs.de">frank.graichen@dqs.de</a>

Qualitätssicherung

Qualitätsnachweise

Produktsicherheit  führt über Integrität

Wie Produktintegrität zum Schlüssel für sichere Automobile wird

Fehlerhafte Produkte sind stets ein Ärgernis, oft aber auch eine Gefahr für den Kunden. Auf der anderen Seite stellen Rückrufe und Schadensersatzklagen ein allgegenwärtiges Risiko für Unternehmen dar. Die enorme Beschleunigung der Warenströme und die zunehmende Produktkomplexität verstärken die Gefahr von Fehlern. Klare Regeln und sichere Produkte sind der beste Weg, um Kundenerwartungen nicht zu enttäuschen und Unternehmen zu schützen –  „Produktintegrität“ ist die Antwort des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Fehlerhafte Produkte sind stets ein Ärgernis, oft aber auch eine Gefahr für den Kunden. Auf der anderen Seite stellen Rückrufe und Schadensersatzklagen ein allgegenwärtiges Risiko für Unternehmen dar. Die enorme Beschleunigung der Warenströme und die zunehmende Produktkomplexität verstärken die Gefahr von Fehlern. Klare Regeln und sichere Produkte sind der beste Weg, um Kundenerwartungen nicht zu enttäuschen und Unternehmen zu schützen – „Produktintegrität“ ist die Antwort des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Die Automobilindustrie steht laut Allianz Global Corporate & Specialty SE sowohl beim durchschnittlichen Schadenaufwand je Rückruf als auch bei der Anzahl der Rückrufe und Anzahl der zurückgerufenen Produkte je Rückruf deutlich vor der Lebensmittelindustrie und noch deutlich vor IT-/Elektronik-Rückrufen. Obwohl die Anforderungen an Produktsicherheit in allen Industrienationen gesetzlich beschrieben sind, gibt es bezüglich der Auslegung offensichtlich Klärungsbedarf. Erfüllen die Produkte die gesetzlichen Vorschriften zur Produktzulassung innerhalb eines Rechtsraums, spricht man von einer Konformitätsvermutung bezüglich Produktsicherheit.

Ein Wirtschaftsakteur, der sich beim Inverkehrbringen von Produkten ausschließlich auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für sichere Produkte verlässt, handelt allerdings eindeutig zu kurzsichtig. Er muss nicht nur die eigenen Erfahrungen zur Auslegung und Fertigung sicherer Produkte einbringen. Ein Hersteller muss auch die berechtigten Sicherheitserwartungen seitens der Verbraucher an seine Produkte kennen und darüber hinaus auch die Erwartung an sichere Produkte der jeweiligen Behörden für deren schutzbefohlene Verbraucher erfüllen. Der Komplexität des Themas geschuldet, forderte ein führender Fahrzeughersteller bereits vor Jahren die Einführung der Rolle eines „Produktsicherheitsbeauftragten“ in der Lieferkette. Aufgrund der nicht abreißenden Fahrzeugrückrufe fand dieser Ansatz Zustimmung weiterer im VDA organisierter OEM-Hersteller und Lieferanten.

Um einen harmonisierten Ansatz für die automobile Lieferkette zu schaffen, nahm sich das höchste VDA-Qualitätsgremium, der Qualitäts Management Ausschuss (QMA), dieser Aufgabe an und ließ über einen QM-Experten-Arbeitskreis des VDA QMC die Thematik aufarbeiten. Diesem VDA-Arbeitskreis (VDA-AK) gehörten Vertreter von Autoherstellern (OEM) und Lieferanten an.

Den Startpunkt der Untersuchung markierte die Frage: Welche Konsequenzen hat ein nicht verstandener oder nicht beherrschter Produktsicherheitsprozess? Die Folgen werden im zivil- und strafrechtlich bewehrten Produkthaftungsgesetz beschrieben, das für juristische wie natürliche Personen gilt. Eine Produkthaftung tritt in Kraft, wenn durch ein fehlerhaftes Produkt im Markt ein Schaden an Leib und Leben oder an Gütern entsteht und dieser Schaden durch einen Kläger geltend gemacht wird.

Die Strafen für Inverkehrbringung gefährlicher Produkte sind in den meisten Industrienationen ausschließlich auf Freiheitsentzug und monetären Schadensausgleich begrenzt. Aus ihrer ethischen Verantwortung heraus sollten Hersteller jedoch ohnehin den Verbleib gefährlicher Produkte im Feld vermeiden. Mit der Entscheidung durch einen rechtzeitig durchgeführten Rückruf das Risiko für Verbraucher oder unbeteiligte Dritte zu vermeiden werden gleichzeitig auch Folgekosten einer etwaigen Produkthaftung vermieden.

Aber auch Produktrückrufe stellen enorme wirtschaftliche Risiken für Unternehmen dar. Daher befasste sich der VDA AK mit der Systematik, wie Produktrückrufe ursächlich entstehen und für welche Produkte die empfohlenen Maßnahmen greifen müssen.

Als Ausgangspunkt dieser Analyse diente die Europäische Richtlinie zur Produktsicherheit (2001/95/EG). Dananch dürfen Hersteller zum Schutz der Verbraucher nur sichere Produkte in Umlauf bringen. Der Hersteller muss dafür sorgen, dass neben der Gesundheit auch die Sicherheit von Personen gewährleistet wird. Die Produkte müssen so gefertigt sein, dass weder durch bestimmungsgemäße Verwendung, noch durch vorhersehbare Fehlanwendung die Gesundheit, Sicherheit oder sonstige Rechtsgüter des Endverbrauchers oder unbeteiligter Dritter gefährdet werden.

Sicherheit geht über  Zertifikate hinaus

Aus der in nationales Recht umgesetzten EU-Richtlinie geht eindeutig hervor, dass eine Konformitätserklärung zu gesetzlich geforderten Produktmerkmalen nicht ausreicht, um ein Produkt als „sicher“ für die Inverkehrbringung zu definieren.

Der VDA-AK entschloss^^ sich daher, eine neue Terminologie einzuführen, welche die per Gesetz festgelegte Definition für Produktsicherheit mit der erforderlichen Produktkonformität zu sicherheitsrelevanten Kundenanforderungen, sicherheitsrelevanten Spezifikationen und Standards sowie die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen des Ausfuhrlands, des Einfuhrlands und des vom Kunden genannten Bestimmungslands verbindet. Dieser neue Begriff wird „Produktintegrität“ genannt (Bild 1). Der VDA-AK „Produktintegrität“ stellte sich auch der Klärung von Fragestellungen wie: „Was ist ein Produkt?“ Im Rotband „Produktintegrität“ wird die Bedeutung des Begriffs Produkt unter dem Aspekt der Konsequenzen bei Abweichungen einer Produktspezifikation definiert. Zur Vermeidung von Rückrufen werden daher unter Produkten nicht nur Erzeugnisse verstanden, sondern auch:

<ul><li> im Produkt enthaltene oder eigenständige Software,</li><li>Dienstleistungen wie e-Call, Sortieraktionen oder Nacharbeiten durch Dritte sowie</li><li> Entwicklungsdienste.</li></ul>

Nach der Festlegung von Ausrichtung und Umfang des VDA-Rotbands „Produktintegrität“ gelang es dem VDA-AK, die drei wesentlichen Bestandteile eines effektiven Produktintegritätsmanagements herauszuarbeiten (Bild 2).

Gesetzliche Produktregularien können relativ einfach recherchiert werden. Herausfordernd wird allerdings die Feststellung der berechtigten Sicherheitserwartungen der Verbraucher. Diese Sicherheitserwartungen unterliegen einem gesellschaftlichen Wertewandel, der durch technologische Möglichkeiten beeinflusst wird. Seit Bill Naders Vorwurf an Automobilindustrie und Politik (Unsafe at any speed, 1965) wurden die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge, flankiert durch Konformität zu technischen, gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich aktiver und passiver Sicherheit deutlich verbessert. In den USA wurde im Herbst 2000 der Tread Act eingeführt, der in den Rechtsräumen der führenden Industrienationen beispielgebend hinsichtlich der Meldepflichten für OEM und Lieferanten ist.

Diese Meldepflichten führten zur Entstehung von Produktrückruf-Portalen, mit deren Hilfe Inverkehrbringer und Behörden die Verbraucher vor gefährlichen Produkten im Markt warnen können. Im Jahr 2003 zogen die Europäer beispielsweise mit dem RAPEX-Portal nach, einem Schnellwarnsystem für europäische Verbraucher .

Der VDA-AK weist im Rotband darauf hin, dass aus den kommunizierten Fehlereffekten der Produktrückrufe die berechtigten Sicherheitserwartungen von Verbrauchern und Behörde abgeleitet werden können. Die notwendigen Reaktionen bei erkannten Produktrisiken im Feld (also beim Kunden) reichen von der Verbraucherwarnung über Reparatur, Produktrücknahme bis hin zum Produktrückruf.

Um die Effizienz eines ganzheitlichen Produktintegritätsmanagements sicherzustellen, hat der VDA-AK der Organisation von Produktintegrität in den Unternehmen ein besonderes Kapitel gewidmet. Die grundsätzliche Verantwortung einer Geschäftsleitung zur Vermeidung von Produkthaftungsansprüchen ist nicht delegierbar. Wohl aber kann die Geschäftsleitung Personen identifizieren, qualifizieren und mit den notwendigen Befugnissen ausstatten, um geeignete Präventions- oder Korrekturmaßnahmen für das Unternehmen zu erarbeiten und umzusetzen. Der VDA-AK empfiehlt, nicht nur firmeninterne Kommunikationsnetzwerke zwecks Austausch von Frühwarnungen und Lessons Learned zu schaffen, sondern diese auch für die Lieferkette vorzusehen.

Produktintegrität  braucht Verantwortliche

Der VDA-AK beschreibt in seiner Publikation die Rolle(n) der Person(en) je nach Unternehmensgröße. Die Rolle selbst wurde mit dem Begriff Product Safety and Conformity Representative oder Produktsicherheits- und Konformitätsbeauftragter (PSCR) benannt. Selbstverständlich ist den Unternehmen unbenommen, ob sie ihre Beauftragten mit PSCR oder mit firmenspezifischen Bezeichnungen benennen möchten. Wichtig in der Lieferkette ist aber die Sicherstellung der Identifikation der jeweilig zuständigen Personen für die jeweils produktintegritätsrelevanten Themen.

Produktsicherheitsrelevante Meldepflichten reichen je nach Rechtsraum von as soon as possible (Japan) bis hin zu 10 Tagen bei niedrigem Produktrisiko (Europa). Daher ist es notwendig, dass damit betraute Personen auch in der Lieferkette rasch involviert werden können – gleichgültig ob diese in der Rechtsabteilung, in der Qualitätssicherung oder in einem anderen unterstützenden Unternehmensbereich verortet sind.

Die gleichen produktintegritätsrelevanten Fragestellungen ergeben sich in der Entwicklung. Potenziell im Konflikt stehende Aussagen verschiedener Sicherheitsdisziplinen eines Unternehmens (Anforderungen aus Funktionaler Sicherheit, Niedrig- / Hochvolt-Sicherheit, mechanische Prozesssicherheit etc. ) müssen validiert und zu einer unternehmensgestützten, produktintegritätsabgesicherten Aussage konsolidiert werden.

Dazu empfiehlt sich gerade vor dem Hintergrund agiler Produktentwicklung ein Gestaltungsprozess, in dem der PSCR des Unternehmens den notwendigen Austausch der involvierten Experten unter den Aspekten des risikobasierten Ansatzes sicherstellt.

Bild 1. Produktintegrität ist abhängig von Produktsicherheit und -konformität. 

Bild 2. Das Management von Produktintegrität hat drei wesentliche Bestandteile.

Bild 3. Der ergebnisbezogene Produktintegritäts-Managementprozess sinnbildlich dargestellt

Krämer

Bernd Kraemer ist Leiter Produktsicherheit  bei Schaeffler Corporate Quality und  Leiter des VDA-Steuerkreises “Produktintegrität“.

Bernd Kraemer T 09132 8288033 <a href="mailto:bernd.kraemer@schaeffler.com">bernd.kraemer@schaeffler.com</a>

Produktintegrität wird zur Schlüsselqualifikation

Der VDA-Rotband „Produktintegrität“ stellt in einem handhabbaren Umfang das komplexe Umfeld eines ganzheitlichen Produktsicherheits- und -konformitätsmanagements dar. Flankiert wird dieser Rotband mit abgestimmten Trainingsangeboten zur Qualifikation von Produktsicherheits- und -konformitätsbeauftragten (PSCR). Diese 2-Tage-Trainings geben zukünftigen PSCR das Rüstzeug, sich selbst und ihr Unternehmen für die kontinuierlich wachsenden Herausforderungen dieses Themenfeldes zu wappnen.

Produktintegritätsrelevante Themen wie Cyber Security, Einschätzung von Manipulationssicherheit oder Umgang mit kontinuierlicher Überwachung von Produktmerkmalen im Feld sind im Prinzip nicht neu, entwickeln sich allerdings mit rasanter Geschwindigkeit weiter. Das VDA QMC hat sich aufgrund des Bedarfs entschlossen, eine Austauschplattform für PSCR zu produktintegritätsrelevanten Themen in Form eines zweitägigen Konferenzangebotes zu schaffen. Dort wird den Fragestellungen dieser sich schnell entwickelnden Aufgaben für PSCR ein Podium geboten.

Ein mittlerweile fest installierter Steuerkreis des VDA QMC konsolidiert bedarfsorientiert zum Thema Produktintegrität die Stellungnahmen zu den Themen Produktsicherheit und -konformität innerhalb der Lieferkette des VDA. Dieser Steuerkreis stellt den Informationsaustausch mit produktintegritätsrelevanten regional und überregional tätigen Arbeitsgruppen sicher und unterstützt auch die Weiterentwicklung der produktintegritätsrelevanten Prozesse, Methoden und Werkzeuge.

Produktzertifizierung

Zertifizierung

Zertifikate geben Sicherheit bei der additiven Fertigung

Alle durch selektives Laserschmelzen hergestellte Bauteile sollten gleiche, definierte Produktmerkmale aufweisen. Dazu muss der Hersteller stets das Pulver und die Prozessparameter auf das spätere Produkt abstimmen. TÜV SÜD und Rosswag Engineering zeigen, welche Qualifizierungen und Zertifizierungen die Auswahl von Lieferanten erleichtern.

Zunehmend werden druckbeaufschlagte und damit sicherheitsrelevante Bauteile wie Rohre, Druckbehälter und Armaturen mit dem selektiven Laserschmelzen (SLM) hergestellt (siehe Textkasten Seite 38). Das Produkt entsteht in einem Pulverbett, wo eine dünne Schicht des Pulvers durch die Hitzeeinwirkung eines Lasers lokal geschmolzen wird und anschließend erstarrt. Schicht für Schicht entsteht so das fertige, feste Bauteil, das rundherum vom losen Pulver umgeben ist und leicht davon getrennt werden kann.

Viele Parameter, die Einfluss auf den Produktionsprozess haben (z. B. die Intensität und Energiedichte des Lasers, den Intertgasstrom über dem Pulverbett), hat der Hersteller des Bauteils selbst unter Kontrolle: Er kann die Maschine kalibrieren, neu konfigurieren und die Prozessparameter auf Basis von Erfahrungswerten oder Parameterstudien optimieren.

Beim Pulver muss er sich jedoch auf die Informationen seines Zulieferers verlassen – und ebenso darauf, dass dieser das Pulver korrekt gelagert und transportiert hat. Fehlen wichtige Daten oder sind diese fehlerhaft beziehungsweise ungenau (z. B. chemische Zusammensetzung, Partikelgrößenverteilung, Restfeuchtigkeit), kann der Bauteilhersteller mitunter nicht sicherstellen, dass er einen geeigneten Ausgangsstoff für das geplante Bauteil wählt und verwendet.

Rosswag Engineering, eine Division der Rosswag GmbH bei Karlsruhe, stellt ergänzend zur Produktion von Metall-3D-Druck-Bauteilen auch Metallpulver für die additive Fertigung her. Hier ging es darum, die effiziente Produktion von Metallpulvern für Entwicklungsprozesse zu etablieren, verschiedene Legierungen und Werkstoffe zu qualifizieren und die Prozesse zu standardisieren.

Zugleich wurde es schwieriger, bestehende und neue Kunden von der Eignung eines Pulvers für die geplante Anwendung zu überzeugen, wenn diese ihrerseits hohe Qualitätsstandards erfüllen müssen. Das ist beispielsweise bei sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Druckgeräten der Fall. Es müssen Standards und Normen im Umfeld der Druckgeräterichtlinie erfüllt werden und sichergestellt sein, dass jedes Bauteil die Mindestanforderungen erfüllt.

Rosswag Engineering hat deshalb TÜV SÜD Industrie Service, München, mit einem Audit beauftragt, um die Produktionsprozesse zu analysieren, das Qualitätsmanagementsystem zu prüfen und etwaige Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren (Bild 1). Das Zertifizierungsprogramm haben die Sachverständigen für Anlagensicherheit von TÜV SÜD Industrie Service entwickelt und im Pilot-Audit bei Rosswag erfolgreich umgesetzt.

Das Programm erfüllt die allgemeinen Sicherheitsanforderungen der europäischen Druckgeräterichtlinie (DGRL) bezogen auf den Werkstoffhersteller. Ebenso trägt es den detaillierteren Anforderungen des AD 2000-Regelwerks Rechnung. Dies konkretisiert die grundlegenden Sicherheitsanforderungen nach DGRL. Es enthält Grundsätze zu Werkstoffen, Fügeverfahren sowie Personal und den erforderlichen Qualifizierungen. Das Programm beinhaltet neben den Themen der Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit auch den Nachweis der Fertigungssicherheit für bestimmte Werkstoffgruppen und der grundsätzlichen Eignung des Metallpulvers für die additive Fertigung.

TÜV SÜD auditiert neben dem Herstellprozess auch die Qualitätssicherungs- und Prüfprozesse. Auf Basis von Stichproben kommen dabei u. a. drei Punkte in den Blick.

Mindestanforderungen zum Erfüllen von Kundenanforderungen

Die chemische Analyse und die Partikelgrößenverteilung muss den Anforderungen entsprechen. Bewertet wird visuell-qualitativ sowohl makroskopisch wie auch mit dem Rasterelektronenmikroskop. TÜV SÜD prüft dabei die Genauigkeit und Konstanz der Prozesse und der Analysemöglichkeiten beim Kunden.

Die Herausforderungen für Labore sind dabei, dass zum Teil eine Rückführbarkeit auf so genannte Prüfnormale nicht immer gewährleistet ist. Diese metrologischen Vergleichsgegenstände dienen zur Kalibrierung der Messgeräte. Entscheidend ist zu klären, wie „groß“ Abweichungen maximal sein dürfen, um noch akzeptabel zu sein.

Ziel ist, das richtige Maß an Genauigkeit zu finden, damit daraus weder Qualitätseinbußen noch unnötig hohe Prüf- und Kalibrierungskosten resultieren. Mitunter sind eigene Referenzproben ohne Rückführbarkeit auf Prüfnormale aufzubauen sowie geeignete Verfahren, um Messunsicherheiten zu ermitteln. Diese sind zu verifizieren und Grenzwerte festzulegen.

Für Kunden besteht auf der anderen Seite die Herausforderung, geeignete Entscheidungsregeln für die Akzeptanz der Produkte zu bestimmen – unter Berücksichtigung etwaiger Messunsicherheiten.

Bei Hohlräumen und der Morphologie bestehen meist keine genau festgelegten Grenzwerte. Allerdings greift TÜV SÜD Industrie Service bei der Beurteilung auf Erfahrungswerte aus der Praxis zurück, um akzeptable von inakzeptablen Unregelmäßigkeiten zu unterscheiden.

Wenn zum Beispiel der prozentuale Anteil an Hohlräumen gering genug ist, die morphologische Verteilung einem bestimmten Verlauf entspricht und leicht raue, dendritische Strukturen aufweist, sind das noch keine Auffälligkeiten. Das Pulver eignet sich dann für den Einsatz.

Technologische Eigenschaften zur Einsatzfähigkeit des Pulvers

Zum Messen der Feststoffdichte, der Schüttdichte, der Stampfdichte und des Schüttwinkels existieren in der Regel DIN-Normen. Allerdings ist der Einfluss auf die Qualität für das Bauteil vielfach noch nicht genau untersucht.

Der Zusammenhang zwischen dem Ausgangswerkstoff (Pulver), der Prozessparamter und der Bauteilqualität können bei vielen Anwendern aufgrund nicht vorhandener Grenzwerte nicht eindeutig ermittelt werden. Somit wird oft auf individuelle Erfahrungswerte zurückgegriffen, die einbezogen werden müssen. So sind beispielsweise geringe Schüttwinkel in der Regel besser sind als große. Vieles basiert auf der individuellen Erfahrung zwischen „Mensch und Maschine“.

Auf Basis eines Audits lassen sich die Voraussetzungen für Qualität meist leichter schaffen. Bereits beim Wareneingang wird sorgfältig geprüft und somit gewährleistet, dass die verwendeten Roh- und Ausgangsstoffe in der benötigten Qualität und Zusammensetzung vorliegen. Qualifiziertes Personal mischt die verschiedenen Komponenten zu den benötigten Legierungen und bedient die Anlagen, mit denen das Metallpulver mittels Intertgasverdüsung hergestellt wird.

Auch auf neue Anforderungen, Kundenwünsche und Spezifikationen lässt sich dann schneller reagieren: Neue Chargen, Werkstoffe und Legierungen durchlaufen umfangreiche Qualifizierungsprozesse, wobei die chemische Zusammensetzung im Labor analysiert wird.

Rosswag Engineering prüft beispielsweise bereits vorhandene Werkstoffe auf ihre Eignung für neue Anwendungen oder findet bei Bedarf mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung eine Alternative. So kann das Unternehmen ein neues Sonderpulver bereits innerhalb von vier Wochen qualifizieren – etwa siebenmal schneller als viele nicht zertifizierte Unternehmen, die durch die Einbindung unabhängiger Dritter im Qualifizierungsverfahren im Durchschnitt etwa 30 Wochen dafür benötigen. Beim Qualifizierungsverfahren werden viele Parameter untersucht und validiert, die Einfluss auf die Fertigung und die Bauteilqualität haben.

Im Gegensatz zum Mahlen, bei dem vorrangig kantige und eckige Körner ohne definierte, nicht reproduzierbare Morphologie entstehen, werden beim Verdüsen gleichartige, kugelförmige Partikel hergestellt. Dazu wird die Metalllegierung eingeschmolzen und im flüssigen Zustand mittels einer Düse und Inertgas zerstäubt. Die Kugelform der einzelnen Partikel entsteht durch die Oberflächenspannung der Schmelze, die nach dem Verdüsen rasch abkühlt und zu einem Partikel mit etwa 10 bis 100 µm Durchmesser erstarrt.

Unter anderem durch die Zusammensetzung und Temperatur der Schmelze, den Gasdruck und das Düsensystem kann die Partikelgrößenverteilung beeinflusst werden.

 Sind die Partikel zu klein bzw. ist der Energieeintrag des Lasers zu hoch, dann sublimiert (verdampft) das Metall lokal, was zu Schweißschmauch und zu Fehlstellen im Bauteil führen kann. Sind die Partikel zu groß und der Energieeintrag zu gering, wird das Pulver nicht richtig aufgeschmolzen und haftet weniger gut an der vorher hergestellten Ebene. Das kann zu Spannungen innerhalb des Bauteils führen.

An der Oberfläche der Pulverpartikel angehaftete Wassermoleküle werden durch die Energiezufuhr des Lasers in ihre atomaren Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. So können sich beim Laserschmelzen winzige Gasbläschen bilden, die im Bauteil eingeschlossen werden und so die gesamte Konstruktion schwächen.

Alles im Griff mit einem  Managementsystem

Um alle Aspekte im Blick zu behalten, ist ein funktionales Qualitätsmanagementsystem beim Pulverhersteller entscheidend. Deshalb ist das etablierte und gelebte Vorgehen dabei ein Kernaspekt der Audits. So konnten sich die TÜV SÜD-Experten schließlich davon überzeugen, dass Rosswag Engineering höchste Qualitätsstandards bei der Produktion erfüllt. Sie haben hier das bislang erste Zertifikat für einen Metallpulver-Hersteller vergeben.

Bild 1. Pulver für das selektive Laserschmelzen: Beim Qualifizierungsverfahren werden viele Parameter untersucht und validiert, die Einfluss auf die Fertigung und die Bauteilqualität haben.

MUSS_Regina_TÜV Süd_Rosswag - Hauptartikel

Gunther Kuhn, ist Leiter Produktmanagement bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH, München.

Gregor Graf, ist Leiter Engineering bei der Rosswag GmbH, Pfinztal.

Gunther Kuhn T 089 5791–2827 <a href="mailto:gunther.kuhn@tuev-sued.de">gunther.kuhn@tuev-sued.de</a> <a href="http://www.tuvsud.com/de-is">www.tuvsud.com/de-is</a>

Gregor Graf T 07240 94 10–131 <a href="mailto:info@rosswag-engineering.de">info@rosswag-engineering.de</a> <a href="http://www.rosswag-engineering.de">www.rosswag-engineering.de</a>

Vorteile des selektiven Laserschmelzen

Das selektive Laserschmelzen (Laser Powder Bed Fusion, LPBF), bietet gegenüber den konventionellen Herstellungsverfahren wie Gießen, Fräsen oder Auftragsschweißen viele Vorteile.

Komplexe, funktionsoptimierte Bauteile lassen sich zeit- und kostensparender herstellen, da beispielsweise ein digitaler Bauplan genügt und nicht erst eine Guss- oder Negativform hergestellt werden muss.

Zudem ist der Prozess äußerst effizient, was den Materialeinsatz betrifft: Das überschüssige, nicht geschmolzene Metallpulver, in das das Bauteil nach Fertigstellung eingebettet ist, wird in der Regel einfach abgesaugt und dem Vorratsbehälter für das Metallpulver wieder zugeführt.